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16.12.2021
Menschen

Spezialist:innen für frühkindliche Bildung

Kindertagesstätten wandeln sich stärker zu frühkindlichen Bildungseinrichtungen, vorangetrieben von studierten Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen. Von der Multiprofessionalität der Kita-Teams profitieren Kinder, Eltern und Erziehende.

von Jule Fuchs

EUFH Magazin Kindheitspaedagogik EUFH Magazin Kindheitspaedagogik

Im Sandkasten plappern Kinder aus verschiedenen Nationen. Auf dem Klettergerüst fragt die vierjährige Ayse den fünfjährigen Jannik, warum er keinen Papa hat. Die Welt zwischen Buddeleimern, Buntstiften und Bommelmützen wird stetig multikultureller und diverser. Kinder und Erziehende sollen gemeinsam spielen, lernen, essen und schlafen – am besten inklusiv. Wie kann das gelingen?

1. Sprache fördern und inklusiv arbeiten

„Kinder kommen aus völlig unterschiedlichen Lebenswelten. Eltern und Gesellschaft erwarten deutlich mehr von Krippe und Kita als noch vor wenigen Jahren. Erziehende sollen die kindliche Sprache und Neugier fördern und inklusiv arbeiten. Sie müssen sich auf Kinder aus völlig verschiedenen Kontexten einstellen. Auf Augenhöhe und mit Respekt”, erklärt Dr. Christian Meyn. Der Geschäftsführer der Kinderzentren Kunterbunt (KiKu) beobachtet in mehr als hundert Einrichtungen des Trägers, wie sich der Alltag der Knirpse und Erziehenden verändert.

Kindertagesstätten stellen die Weichen für das spätere Leben. Der KiKu-Chef geht noch weiter: „In der frühen Kindheit entstehende Bildungslücken aufgrund von kulturellen Unterschieden und unterschiedlichen familiären Bildungshorizonten können Lehrende an Grundschulen nur schwer schließen. Darum brauchen wir schon in den Kitas studierte Pädagog:innen. Nicht erst studierte Lehrende in der Grundschule.”

Darum entwickelte die EU|FH den in Deutschland noch recht jungen Studiengang der Kindheitspädagogik. In die Gestaltung war KiKu involviert. Dr. Christina Schwer von der EU|FH: „Während ihres Studiums setzen sich angehende Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen mit aktuellen Herausforderungen auseinander. Zum Beispiel gewinnen Themen wie Armut, sensitives Handeln und unterschiedliche Lebenswelten, in denen Kinder heranwachsen, immens an Bedeutung.” Im Wintersemester 2019 starteten die ersten Studierenden an der EU|FH.


EUFH-Magazin-Kindheitspaedagogik-Sprachfoerderung

2. In drei Jahren für die Kita

In sechs Semestern schult die EU|FH die Studierenden zu Spezialist:innen für frühkindliche Bildung. Während die staatlich anerkannte Ausbildung zum:zur Erzieher:in aus drei Jahren Theorie und einem Jahr Praxis besteht, ist das Studium vom ersten Semester an praxisorientiert. Es lehnt sich eng an die Sozialpädagogik sowie die Erziehungswissenschaften an. Die Studierenden lernen die Hälfte der Zeit an der Hochschule und wenden ihr Wissen dann direkt im Partnerunternehmen an. „So kommen die angehenden Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen schnell ins Tun. Dozent:innen der EU|FH und ein:e Mentor:in in den Einrichtungen begleiten die Studierenden vom Anfang bis zum Ende”, sagt Dr. Christina Schwer.

Im ersten Jahr sammeln die Studierenden theoretische Grundlagen in Pädagogik, Inklusion und kindlicher Entwicklung. In ihren Partnereinrichtungen lernen sie im Kita-Alltag, wie sie Kinder für musische, sprachliche und naturwissenschaftliche Angebote begeistern.

Die Studierenden gehen mit einem Erkundungsauftrag pro Semester in ihr Partnerunternehmen. Wie gestalten die Fachkräfte in der Einrichtung die Grundversorgung der unter Dreijährigen? Wie sind die räumlichen Bedingungen? „Die Studierenden müssen sich mit ihrer Einrichtung, den Fachkräften und den vorgefundenen Bedingungen auseinandersetzen. Dabei nehmen sie eine forschende Haltung ein, entwickeln einen wissenschaftlichen Blick und ein theoriegeleitetes Handeln”, erläutert die Dozentin.

Im zweiten Studienjahr geht es vor allem um Recht und Gesetz, Inklusion und Konfliktmanagement. In den dualen Lernphasen übernehmen die angehenden pädagogischen Fachkräfte erste organisatorische Aufgaben, erstellen Wochenpläne und fördern Vorschulkinder in der Sprachentwicklung.

Das dritte Studienjahr dient der Spezialisierung. Die Studierenden vertiefen ihre Kenntnisse in der Familienarbeit, der Organisation einer Kita oder der Sexualpädagogik. In den Einrichtungen übernehmen sie erste Elterngespräche, Angebote für die Entwicklung der Kinder und die Zusammensetzung der Kindergruppen für den nächsten Kita-Jahrgang.

„Kindheitspädagog:innen können Sachverhalte sehr gut reflektieren und wissenschaftlich aufarbeiten. Das ergänzt ein Kita-Team aus klassischen Erzieher:innen. Von dieser Multiprofessionalität profitieren Kita, Kinder und Eltern”, unterstreicht Dr. Christina Schwer.

Projekt Frühförderung MV

3. Multiprofessionelles Team

Aufgrund des Fachkräftemangels und der anhaltenden Nachfrage nach spezialisierten Erziehenden haben Kindheitspädagog:innen sehr gute Job- und Karrierechancen. „Absolvent:innen leiten Kindertagesstätten, arbeiten in der Familienberatung, in Jugendämtern oder in der Trägerorganisation. Auch eine Laufbahn in der Forschung ist möglich”, sagt Dr. Christina Schwer.

Gerade die Mischung aus Erzieher:innen und Kindheitspädagog:innen ist für die Entwicklung von Kindertagesstätten zukünftig wichtig. „Sie müssen die Einrichtungen permanent weiterentwickeln, um die Kinder für die Zukunft vorzubereiten”, ist Dr. Christian Meyn überzeugt, der sein Wissen ebenfalls als Dozent an der EU|FH weitergibt. Im Sommer 2022 werden die ersten Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen an der Hochschule fertig, um unter anderem die rund 1.600 KiKu-Mitarbeitenden zu unterstützen.

Dr. Christian Meyn, Geschäftsführer der Kinderzentren Kunterbunt, entwickelte den Studiengang der Kindheitspädagogik an der EU|FH mit. Er doziert unter anderem in Finanzrecht und zu Finanzstrukturen von Trägern.

Prof. Dr. Christina Schwer Kindheitspädagogik

Dr. Christina Schwer bekleidet die Professur Kindheitspädagogik an der EU|FH in Rheine. Ihr Spezialgebiet ist die Begabtenförderung in der frühkindlichen Bildung und Entwicklung. Sie ist Mutter von zwei Söhnen.

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