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18.06.2022
Aus der Praxis

Proben an Phantompatient:innen

Üben, üben, üben heißt es für Dentalhygieniker:innen. Sogenannte Phantomköpfe halten zwar in jeder Behandlung still, gehören allerdings nicht zu den perfekten Übungspatient:innen. Wie angehende Dentalhygieniker:innen in Kindertageseinrichtungen und Altenpflegeeinrichtungen Praxis vermittelt bekommen.

von Julia Blank und Jule Fuchs

EUFH Magazin Dentalhygiene Praeventiontsmanagement Phantomkopf EUFH Magazin Dentalhygiene Praeventiontsmanagement Phantomkopf

Prophylaxe am Phantomkopf

Weniger als ein Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben ein kariesfreies Gebiss. Karies zieht oft Parodontitis nach sich, eine der häufigsten Zahnfleischentzündungen. Dentalhygieniker:innen therapieren solche Mundhöhlenerkrankungen. 

Das Reinigen der Zahn- und Wurzeloberflächen ober- und unterhalb (supra- und subgingival) des Zahnfleisches bedarf eines sicheren Umgangs mit unterschiedlich geformten Instrumenten. Neben den Handinstrumenten (wie auf der Abbildung) üben Studierende auch mit maschinell betriebenen Apparaten. Die unterschiedliche Handhabung trainieren Dentalhygiene-Studierende zunächst an künstlichen Patient:innen. 

Diese Phantomköpfe bestehen aus zwei Zahnkränzen (Ober- und Unterkiefer) mit Kunststoffzähnen entsprechend dem menschlichen Gebiss. Eine Gummimanschette simuliert das Zahnfleisch. Studierende besitzen eigene Modell, die sie für praktische Übungen in die Phantomköpfe an den Behandlungseinheiten schrauben. Die Köpfe lassen sich in ähnlichem Maße wie echte Patient:innen nach oben, unten, rechts und links bewegen. Studierende können den Phantompatient:innen also bei Bedarf umlagern. Das ermöglicht ein optimales Arbeiten.

Schon Erstsemester üben an Phantomköpfen – mindestens einmal während jeder Präsenzphase auf dem Campus. Haben sie die entsprechende Prüfung bestanden, dürfen sie am Patientenbehandlungskurs teilnehmen. 

Übrigens eignet sich das Phantommodell nicht für alle Übungen. Für einige Behandlungen, besonders in der Kariesprävention, ist natürliche Zahnhartsubstanz erforderlich. In diesen Fällen arbeiten die Studierenden an selbst hergestellten Echtzahnmodellen aus extrahierten Zähnen.

EUFH Magazin Dentalhygiene Migrationszentrum

Im Wohnkomplex für Migrant:innen

Kinder aus Flüchtlingsfamilien haben meist mehr Karies als Gleichaltrige, die in Deutschland aufgewachsen sind. Einige der kleinen Patient:innen kommen gar nicht oder zu spät in Zahnarztpraxen. Deshalb besuchen angehende Dentalhygieniker:innen vom zweiten Semester an Betroffene in ihrem vorübergehenden Zuhause, einem Wohnkomplex für Migrant:innen. 

Dort erklären und zeigen die Studierenden der EU|FH, wie Zahnseide die Mundhygiene unterstützt. Diese Gruppenprophylaxen basieren auf den Empfehlungen der Zahnärztekammern und bereiten DH-Studierende auf ihren späteren Berufsalltag vor. Sie erklären ihren kleinen Patient:innen unter anderem, wie Karies entsteht, wie es fast vollständig vermieden wird und warum gesunde Ernährung wichtig ist. 

Manche Studierende führen dafür sogar kleine Theaterstücke auf oder überlegen sich Basteleien und Experimente. So überwinden alle Beteiligten sprachliche Hürden. Oft wissen die Studierenden vorher nicht, welche Altersgruppen sie antreffen.

Übrigens entstand während so einer Exkursion ein Forschungsprojekt der EU|FH. Erste Ergebnisse bestätigten: Kinder aus Flüchtlingsfamilien zeigen mehr kariöse Läsionen als deutsche Gleichaltrige. Diese Faktoren sind abhängig vom Herkunftsland oder von der Aufenthaltsdauer der Kinder in Deutschland. Das Projekt dauert weiter an. Aufgrund der Daten wollen die Forscher:innen noch zielgruppenorientiertere Präventionsprogramme entwickeln.

EUFH Magazin Dentalhygiene Migrationszentrum

In der Kita

Gut für die Zähne. Und schlecht für die Zähne. Kinder begreifen rasch, wie sie den Zahnteufel verärgern, damit der gar nicht erst Karies verursacht. Fluoridapplikation oder Versiegelung der Zahnoberfläche sorgen dafür, dass sich Karies aus deutschen Kindergebissen seit Jahren zurückzieht. Dennoch vereinigt ein kleiner Anteil der minderjährigen Bevölkerung die gesamte Krankheitslast auf sich. Ob eine Karies auftritt, hängt laut wissenschaftlichen Untersuchungen stark von sozioökonomischen Faktoren und dem Zugang zu zahnmedizinischen Präventionsmaßnahmen ab.

Hier sind Dentalhygieniker:innen unter anderem der EU|FH gefragt. Studierende entwickeln Versorgungskonzepte, die die ungleichen Gesundheitschancen von Kindern abfedern können. 

EUFH Magazin Dentalhygiene Migrationszentrum

Im Pflegeheim

In Deutschland leben aktuell etwa vier Millionen Pflegebedürftige, rund ein Drittel von ihnen werden dem Statistischen Bundesamt zufolge von Pflegekräften in stationären Einrichtungen betreut. 

Gerade bei pflegebedürftigen Menschen sind Mundgesundheit und Allgemeingesundheit eng miteinander verbunden. Die Patient:innen leiden oft unter eingeschränkten Schluckreflexen. Sie neigen zu Speichelfluss, der auch in die Lunge gelangen kann. Ist der Speichel mit Krankheitserregern belastet, beispielsweise aufgrund von Zahnfleischentzündungen oder mangelhafter Mundhygiene, steigt das Risiko, dass auf diesem Wege eine Lungenentzündung ausgelöst wird. 

Mit höherem Alter nehmen bösartige Veränderungen in der Mundhöhle zu. Deshalb gehört eine regelmäßige, gründliche Inspektion der Mundhöhle zur Krebsvorsorge in Zahnarztpraxen. Können Senior:innen diese Kontrolltermine nicht mehr wahrnehmen, müssen Pflegekräfte Alarmzeichen rechtzeitig erkennen. Außerdem können sich einige Bewohner:innen nicht mehr um ihre tägliche Mundhygiene kümmern. Sie sind auf Hilfe angewiesen. 

Viele Pflegekräfte sind auf diesem Gebiet allerdings nur unzureichend geschult. Umfragen zufolge haben Altenpflegekräfte Schwierigkeiten bei der Ein- und Ausgliederung von Zahnersatz. Zahlreiche besitzen nur geringes Wissen über die Zahn- und Prothesenpflege. 

Damit die Mitarbeitenden sich sicherer fühlen, schulen angehende Dentalhygieniker:innen diese in Sachen Zahngesundheit. Wie erkennen sie Mundhöhlenerkrankungen? Wie setzen sie Zahnprothesen ein und aus bzw. pflegen diese richtig? Worauf müssen Pflegende noch achten?

Bei diesen Nachmittagen blicken sie in die Lebenswelt von pflegebedürftigen Menschen und ihren Betreuer:innen. Sie erkennen: Mundhygiene ist nur ein Bereich in einem komplexen Aufgabenfeld. DH-Studierende schulen Angehörige anderer medizinischer Fachdisziplinen strukturiert und nachvollziehbar. 

Idealerweise entwickeln Dentalhygieniker:innen und Pflegefachkräfte gemeinsam individuelle Prophylaxekonzepte für Bewohner:innen von Einrichtungen. DH-Studierende besorgen dann mit Unterstützung der EU|FH benötigtes Material, beispielsweise ein Ultraschallreinigungsgerät für Zahnprothesen, für die Senioreneinrichtung. 

Übrigens schulen viele Dentalhygieniker:innen nach ihrem Studium Pflegekräfte in Senioreneinrichtungen in einem Nebenjob weiter.

Prof. Dr. Julia Blank Professur für Dentalhygiene und Präventiosnmanagement

Julia Blank bekleidet die Professur für Dentalhygiene und Präventionsmanagement. Sie weiß, wo Studierenden der Schuh drückt, welche Hürden sie nehmen und unterstützt in allen Studierendenangelegenheiten.

Bildnachweise:
© EU|FH | Henrik Bartels
© EU|FH | privat

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